Alles fing mit einer Mitsommerfeier in der Bachmanns Vandmølle an der Vidåen in Tønder an. Eine Gruppe junger Musik-Enthusiasten veranstaltete ein drei Tage langes Fest im Juni 1974 mit Gesang, Folkmusik und Becherklang in der alten Wassermühle, die bald danach den Namen Visemøllen erhielt.
Der Enthusiasmus war groß, und die Veranstalter stapelte noch im September des gleichen Jahres ein drei tägiges Musikfest auf die Beine. Auf der Bühne bei beiden Veranstaltungen war übrigens ein Schotte, der seitdem ein treuer Musiker, Helfer, Conférencier und Mädchen für alles auf dem Tønder Festival ist: Rod Sinclair.
Ein anderer Herr, der ersten Stunde ist Carsten Panduro. Vier Jahrzehnte war er der Leiter des Festivals. Es ist nicht zu viel gesagt, dass Carsten Panduro – zusammen mit Anni Lehmann – das Festival aufgebaut und die Seele, die Atmosphäre und das ansehnliche Qualitätsniveau geschaffen hat – das das Festival heute prägt. Carsten Panduro wurde 2014 als künstlerischer Leiter von Maria Theessink abgelöst.
Drei Tage im August 1975 fand das erste Tønder Festival statt. Das Musikprogramm war breit gefächert – vom Slesvigske Fodregiments Musikkorps bis zu den Beatgruppen Alrune Rod und Taurus. Die letztgenannte Band wechselte wie bekannt ihren Namen zu TV-2. Steffen Brandt sagte also die Wahrheit, als er 2006 als Gast bei Niels Hausgaard in der Schweizerhalle/Kulturhuset zum Publikum sagte: ”Es ist lange her, dass ich zum letzten Mal auf dem Tønder Festival aufgetreten bin.”
In den folgenden Jahren wuchs sich das Festival still und ruhig grösser. Die Visemøllen war das magische Zentrum, und einer der Musiker, der mit dabei war die besondere Festival Stimmung und Substanz aufzubauen war der beim Volke beliebte schottische Sänger und Gitarrist Alex Campbell. Er beschrieb er in der Tageszeitung Jydske Tidende die Stimmung der ersten Festival Jahre unter anderem: ”Ich hetzte umher wie eine fiebernde Ameise. Ich sang, bis die Stimme verschwand, küsste alle Mädchen und trank, als ob es der Abend vor der Einführung der Prohibition war…. Man sagt, das Leben besteht nicht nur aus den Tagen an denen du lebst, sondern auch aus den Tagen, an die du dich erinnerst. Stimmt das, hat das Tønder Festival mir viel Leben gegeben″.
1978 wurde der Tierschauplatz in Tønder zum Festivalplatz mit einem großen Zelt mit Platz für 800 Menschen. Das Gerücht vom Folkmusikfestival in Tønder ging durchs Land und über die Grenzen hinaus. Das Festival entwickelte sich, die Anzahl der Bands nahm deutlich zu und das Publikum strömte herbei. Das bedeutete auch, dass die Finanzen und die ganze Organisation hinter dem Festival einen Qualitätschub brauchte.
1980 gründete man die Tønder Festival Stiftung, die dazu beitragen sollte, das Festival auf Sicht finanziell abzusichern. Das Festival bekam auch sein eigenes Sekretariat. Zunächst in einer Ecke des Fremdenverkehrsbüros, wo der Festivalleiter Carsten Panduro seine Residenz hatte. Das Festival schaffte in diesen Jahren seine unverwechselbare Identität und sein folkmusikalisches Profil und das Qualitätsniveau, das maßgeblich Carsten Panduro zu verdanken ist.
DR, damals Danmarks Radio (dänischer Fernsehsender), war seit 1975 regelmäßiger Gast auf dem Tønder Festival. Im Herbst 1982 strahlte Danmarks Radios TV sieben Sendungen unter dem Namen ”Toner fra Tønder” aus. Das ganze Land erfuhr von dem musikalischen Märchenland, das sich im August in Tønder entfaltete.
Das kulturelle Kapital hatte sich deutlich angesammelt, und es waren große internationale Namen, die vor dem Tønder-Publikum auftraten. 1982 beispielsweise Tom Paxton, Red Clay Ramblers, Lonnie Donegan, Dougie Maclean, The McCalmans, Birelli Lagrene und Derroll Adams. Im darauffolgenden Jahr waren unter anderem Fairport Convention und die junge vielversprechen schottische Band, Runrig, auf der Bühne.
1983 wurde Millstream Records gegründet. Innerhalb kurzer Zeit wurde es Skandinaviens größter Spezialimporteur von Folk- und Rootsmusik und betrieb von 1986 bis 2014 einen Versandhandel und Onlline-Shop. Heute verkauft Millstream während des Festivals CDs und mehr in einem gut besuchten Shop auf dem Festivalgelände.
Im gleichen Jahr wurde die GmbH „Tønder Festivalens Venner″ gestiftet. Die GmbH kaufte das alte Hagge’s Hotel mitten in Tønder, und dank eines großen praktischen Einsatzes von Aktionären und Freiwilligen wurde das Gebäude Sitz für das Festival Sekretariat, Tønder Festival Fond, Millstream Records und nicht zuletzt für die Spielstätte Hagge’s im Erdgeschoss.
1987 feierten The Dubliners ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum in Tønder. Im selben Jahr besuchten The Chieftains das Festival zum ersten Mal. Alex Campbell, der liebe Freund und Einpeitscher des Festivals, war im selben Jahr gestorben, und ein Gedenkabend, der Campbell in der Visemøllen in diesem Jahr würdigte, ist in die Geschichte eingegangen. Ein kleines Detail zum Programm 1987 ist, dass Dave Van Ronk, der Mann der einen Parallellauf mit Bob Dylan in Greenwich Village in New York in den frühen 60-zigern hatte, trat auf dem Festival auf.
Die Folkmusik hatte mit dem Festival eine bedeutungsvolle Bastion hier in Dänemark gewonnen. Finanziell brauten sich mehrere Unwetter über den Tønder Himmel auf. Aber dank starker, energischer Kräfte hinter den Kulissen, vielen Freiwilligen und großes Wohlwollen im Nahbereich, konnte das Tønder Festival sich als eines, der ganz großen wichtigen Kulturereignisse etablieren.
Die Musik spielte weiter auf hohem Niveau auf dem Festival. 1990 trat die Legende Pete Seeger zusammen mit Arlo Guthrie in Tønder auf. Ein Knüller und eine Manifestation der Festival Reise vom kleinen Folk-Event der ersten Jahre zu einem Schwergewichtler auf der nordeuropäischen Festivallandkarte. Durch die 90-ziger konsolidierte das Festival sich künstlerisch und publikumsmäßig. 1997 bestand das Musikbudget aus 1,8 Mio. Kroner, da waren 34 Namen auf dem Plakat, und Musik im Tønder Gymnasium, in der Schweizerhalle/ Kulturhuset, auf dem Markt, in der Visemøllen, in den Tønderhallen und im Zelt 1 und 2 auf dem Festivalplatz. 1999 feierte das Festival sein 25-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass veröffentlichte die Tønder Festival Stiftung das Buch ”Tønder Festival – gennem 25 år 1975-1999”.
Alles war im Gepäck als Tønder Festival ins neue Jahrtausend startete. Die Authentizität, der enge Kontakt zwischen den Musikern und dem Publikum, die vielen Sessions, wo die Musiker von fern und nah miteinander „jamen″, die legendarischen Nachtstunden im Backstage-Bereich mit außergewöhnlichen Musikertreffen, die vielen verschieden Konzerte in den Zelten und Spielstätten, das Campingleben, das brodelnde Leben in den Straßen von Tønder und die heißen Abende in der Spielstätte Hagge´s. Aber in erster Linie ein Festival mit einem stilsicheren Gespür für hochklassige internationale und nordische Musik.
Die Folkmusik Studienrichtung des Fynske Musikkonservatorium, das 1998 gegründet wurde, brachte neue Talente hervor. Gleichzeitig geschah manches auf der dänischen Folkmusikscene, wo neue junge Musiker empor stürmten. Das Tønder Festival spiegelte die Entwicklung wider und präsentierte die neue Szene – unter anderem 2004 mit ”The Young Generation”, wo die Studenten von Det Fynske Musikkonservatorium auf der Bühne mit den besten Vertretern der dänischen Folkmusik, dem Geiger Harald Haugaard als Dirigent, standen. In den 90-zigern’erne war es die Folk-Elektronica- Band Sorten Muld, die die Bühne in Tønder betrat und die Innovation in der Folk-und Rootsmusik in Dänemark betonte. In den 00er Jahren waren es Bands wie Haugaard & Høirup, Instinkt, Phønix und Henrik Jansberg, die die Traditionen neu interpretierten.
Das Tønder Festival feierte 2014 seinen 40-jährigen Geburtstag. Das geschah inmitten einer Übergangsphase, die 2012 begann. Es wurde ein neues Ticketsystem eingeführt, so dass das Publikum jetzt ein Armband für das ganze Festival, statt Tickets für einzelne Konzerte kaufte. Das Festivalgelände wurde mit neuen Bühnen und Erlebnisbereichen – wie etwa NOLA, das der Kultur von New Orleans und Louisiana gewidmet war, dem Fanø-Zelt und Little Dublin – zum absoluten Mittelpunkt. Neue Indie-Rock-Namen wie The Avett Brothers, Deer Tick und The Low Anthem wurden in das Programm aufgenommen und die Medien bestätigten das neue und große Interesse am Tønder Festival.
Das Festival hatte einige magere Jahre hinter sich, in denen die Finanzen in einer schwierigen Lage waren. Nach 2014 ging es stetig und ruhig voran. Eine neue Geschäftsführung mit Kirstine Uhrbrand als Geschäftsführerin und Maria Theessink als künstlerische Leiterin stellte gemeinsam mit den Vorständen der Tønder Festival Stiftung und dem Tønder Festival Verein die Weichen. Gleichzeitig wuchs die Unterstützung aus dem Nahbereich und die Ticketverkäufe stiegen von Jahr zu Jahr.
Künstlerisch hat sich das Tønder Festival an zwei Fronten weiterentwickelt: zum einen, indem es den Traditionen sowie der Seele und Identität des Festivals treu blieb, und zum anderen, indem es eine klare Vision verfolgte und neue starke Namen aus der internationalen Szene engagierte. Seit 2014 ist das Festival oft ein First Mover mit aufstrebenden Namen. Zum Beispiel The Lone Bellow, Colter Wall, Sturgill Simpson, Tyler Childers, Margo Price, Tami Neilson, Ruston Kelly und David Ramirez.
Das Tønder Festival konnte im Jahr 2024 sein 50-jähriges Jubiläum feiern. Ein Erfolg in einer Festivallandschaft, in der lokal ansässige gemeinnützige Festivals unter Druck stehen. Die gute Nachricht ist, dass heute eine große Nachfrage nach Authentizität besteht. Das Tønder Festival hat hier viel zu bieten. Ein einzigartiges Festival mit klarem Profil, starker Identität und einer über fünf Jahrzehnte aufgebauten Atmosphäre.
Wie alle anderen Festivals musste auch das Tønder Festival das Festival 2020 aufgrund der Corona-Pandemie absagen. Auch 2021 wurde das Festival abgesagt, jedoch durch eine spezielle Konzertreihe im Schweizerhalle-Tønder Kulturhus ersetzt.
Die Leitung des Tønder Festivals liegt bei Kristina Lehmann Schjøtt, Geschäftsführerin. Das Festival verfügt über sieben hauptamtliche Mitarbeiter im Sekretariat und über 3.000 ehrenamtliche Helfer – darunter ein Leitungsteam von rund 250 Personen. Das Tønder Festival wird von der Tønder Festival Stiftung und der Tønder Festival Verein organisiert.
Das Publikum, die Freiwilligen, die Musiker und die lokalen Förderer des Festivals haben eines gemeinsam: die Liebe zu dem, was mit Sorgfalt hergestellt wird. Das Besondere. Das Original.
Das Tønder Festival sendet einen herzlichen Dank an alle Freiwilligen, Sponsoren, Partner, Musiker, das Publikum und all die vielen engagierten Menschen, die gemeinsam ein weiteres Festival voller Musik und Gemeinschaft ermöglicht haben.
Wie in den vergangenen Jahren war das Publikum schnell – die Tickets für Freitag und Samstag sind bereits restlos ausverkauft.
Der Ticketverkauf läuft auf Hochtouren, und es sind jetzt nur noch wenige Tickets für Freitag und Samstag verfügbar.
In Kürze läuft das diesjährige Tønder Festival wieder vom Stapel. Das Publikum kann sich auf Konzerte mit internationalen und dänischen Namen, erstklassige Folk-Roots-Musik und die bekannte warme Festivalatmosphäre freuen.
